Das Herz des Konflikts

 

Kommentar von Marco Flammang

 
 

 

(Foto: D. Kaulfuß).

Israel gebraucht die latente Wasserknappheit im Nahen Osten als politische Waffe. Während der Besetzung des Westjordanlandes diente sie noch der Schwächung des eroberten Nachbarstaates, heute will Israel dem Terrorismus buchstäblich das Wasser abgraben. Von der Zerstörung der Leitungssysteme und dem massiven Zugriff auf die Grundwasserreserven sind freilich nicht nur vermeintliche Terroristen betroffen, sondern vor allem die Zivilbevölkerung. Doch Israels Vorgehen hat nicht nur politische, sondern auch existenzielle Gründe. Rechnerisch steht jedem Bewohner der Region nur ein Drittel der Wassermenge zur Verfügung, die von der WHO als volkswirtschaftlicher Mindestbedarf eines jeden Landes angesehen wird.

Der Traum von der blühenden Wüste

Ben-Gurion, der Gründungsvater Israels, hatte den Traum, die Wüste Negev fruchtbar zu machen. Dies ist ein Traum geblieben. Zwar ist es Israel 1967 mit der Besetzung des Golans gelungen, das Wasser des oberen Jordans zur Bewässerung der Wüste umzuleiten und dort seine hoch technolo-gisierte, aber Unmengen von Wasser verschlingende Landwirtschaft aufzubauen. Aber Israel spürt längst die Folgen jahrelanger Überpumpung seiner Quellen. Nun wird versucht, Wasser und auch Abwässer zu recyceln.

Das löst aber noch lange nicht die dauerhafte Sicherung der Trinkwasserversorgung. Denn Israel stehen nur drei Oberflächenquellen zur Verfügung: der See Genezareth, sowie zwei Schichten von Frischwasser, eine an der Küste und eine im West Bank. Alle liegen schon seit Jahren bei einem gefährlich niedrigen Wasserspiegel. Dem immer weiter zurückgehenden Niederschlag versucht man mit der künstlichen Anreicherung der Wolken zu begegnen, aber auch mit dem teuren Import von Wasser. Israel pumpt also weiterhin das Grundwasser unter dem Westjordanland ab, aus Not und im Bewusstsein über dessen Bedeutung. Völkerrechtlich steht dies aber den Palästinensern zu.

Konsequenzenloses Völkerrecht

Die UN-Charta von 1966, die auch von Israel ratifiziert wurde, besagt, dass „alle Völker für ihren eigenen Gebrauch über ihre natürlichen Ressourcen verfügen können. (...) Auf keinen Fall dürfen einem Volk seine Existenzmittel entzogen werden.“ Obwohl die Vereinten Nationen Israels Vorgehen bereits 1983 verurteilt haben, beteuert Israel weiterhin, das Wasser gemäß dem Osloer Interimsabkommen von 1993 zuzuteilen. Eventuelle Mängel seien ein Verteilungsproblem der Palästinenser. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Autonomiebehörde das Wasser, das Israel unter dem Westjordanland abpumpt, von der staatlichen israelischen Wassergesellschaft Mekorot bezieht, also zurückkaufen muss.

Das Abkommen von Oslo berücksichtigt zudem das Bevölkerungswachstum nicht und sieht auch bei der Verteilung keine Hilfe vor. Die Leitungssysteme im Westjordanland sind während über 30 Jahren Besatzung beschädigt worden und überaltert. Die örtlichen Behörden sind mit der Instandsetzung überfordert. Als Folge davon gibt es nur zu bestimmten Tagen im Monat - wenn überhaupt - fließendes Wasser, ansonsten muss es zu völlig überzogenen Preisen von mobilen Wassertrucks oder sogar von den gut versorgten Siedlern gekauft werden.

Dass die Region nur mit einer länderübergreifenden Kooperation zu Frieden kommt, scheint offensichtlich. Eine Einigung gab es bisher nur im Konflikt mit Jordanien, weil Israel dem Land schließlich zugestand, in Trockenzeiten auf den See Genezareth zuzugreifen. Doch das war 1994 unter Jizak Rabin, ein Jahr vor dessen Ermordung.

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